Dissertation
Forlorn Folklore: Discovering and debating the vernacular architecture of Greece, from the Ottoman era to the Greek nation-state (ca. 1750-1920)

Dissertation
Nikolaos Magouliotis
Leiter: Prof. Dr. Maarten Delbeke; Koreferenten: Prof. Dr. Mari Lending (The Oslo School of Architecture and Design), Prof. Dr. Panayotis Tournikiotis (National Technical University of Athens)
 


Bild: Ferdinand Stademann, "Vignette no. II: Ansicht eines Theiles des innern Athens", in the album Panorama von Athen (Munich, 1841, "Druck der Dr. Franz Wild'schen Buchdruckerey"), Universitäts Bibliothek Heidelberg, Heidelberg Historic Literature -Digitized, public domain

Zusammenfassung:

Das Thema dieser Dissertation ist die Geschichtsschreibung der vernakulären Architektur Griechenlands während des 18. und 19. Jahrhunderts und damit von der Osmanischen Ära bis zu den ersten Dekaden des griechischen Nationalstaats. Das Ziel der Arbeit ist, zwei historiografische Annahmen in Frage zu stellen: Zum einen, dass griechische vernakuläre Architektur erst im frühen 20. Jahrhundert „entdeckt“ und geschätzt wurde. Zum anderen, dass bis dahin und während des gesamten 18. und 19. Jahrhunderts der Diskurs über Architektur in Griechenland von der klassischen Antike dominiert wurde, während lokale Formensprachen verdrängt wurden. Zu diesem Zweck habe ich eine Vielzahl von Auszügen englischer, französischer, deutscher und griechischer Quellen zusammengetragen (antiquarische Reiseberichte, architekturtheoretische Texte, literarische Werke, proto-ethnografische Studien, Reformhandbücher, Pamphlete, juristische und bürokratische Dokumente, Zeitungsartikel und weitere), die eine rege Beschäftigung mit vernakulärer Architektur des osmanischen und nach-osmanischen Griechenland seit zumindest Mitte des 18. Jahrhunderts belegen. Diese Texte und Beobachtungen formen keinen konsistenten Diskurs: Sie treten an den Rändern oder auch Überschneidungen verschiedener diskursiver und epistemologischer Bereiche auf, doch beschäftigen sich mit denselben Gebäuden.

Die Dissertation ist in drei Kapitel gegliedert, die dieselbe Zeitspanne befragen (1750-1920) und sich mit demselben historischen territorialen, ideologischen, politischen und kulturellen Übergang beschäftigen: Die Periode, als Griechenland sich von einer westlichen Provinz innerhalb des Osmanischen Reichs hin zu einem kleinen Nationalstaat am östlichen Ende Europas entwickelte - Und damit der Übergang von Reisen westlicher Antiquare und der „griechischen Aufklärung“ hin zu klassizistischer Nationenbildung und staatlich gelenkten ländlichen als auch städtischen Reformen. Jedes dieser drei Kapitel wird sich auf einen anderen Typus vernakulärer Konstruktion konzentrieren – Die Hütte (daher eine Vielzahl ephemerer hüttenartiger Konstruktionen), das Haus (daher Bauernhäuser und Landhäuser der Bauern und der städtischen Arbeiterklasse) und das Herrenhaus (daher das “αρχοντικό/konak” der örtlichen Kaufleute, Paschas und Grundbesitzer) – und diesen durch verschiedene Bilder und Texte, von etablierten westlichen Berichten über Griechenland bis hin zu weniger bekannten griechisch-osmanischen Texten folgen. Das Ziel der Analyse ist zu zeigen, dass während dieser Periode die Bedeutung dieser Bauten äusserst umstritten war, und zwar so sehr, dass sich oft polare Gegensätze zeigten: Dieselben Gebäude wurden von verschiedenen Autoren oder in unterschiedlichen historischen Kontexten sowohl als „antik“ als auch als „modern“, sowohl „griechisch“ als auch „türkisch“, sowohl lokal als auch kosmopolitisch, sowohl als naiv als auch als ausgeklügelt, als ansprechend als auch als suspekt gesehen.

Jenseits von einzelnen ontologischen Fragen wie beispielsweise „Was ist griechische vernakuläre Architektur?“, werde ich die zahlreichen Aspekte aufzeigen, die diese Architektur für verschiedene Autoren und unter verschiedenen historischen und ideologischen Umständen bedeutet hat. Anstatt das frühe 20. Jahrhundert als den Moment zu betrachten, an dem der Wert des Vernakulären "endlich anerkannt" wurde, werde ich es als den Moment betrachten, an dem Bedeutung, kulturelle Herkunft und erkenntnistheoretischer Rahmen endgültig festgeschrieben wurden. Indem ich meine Aufmerksamkeit auf diese lange und oft inkohärenten Abfolge von Vorgängen richte, möchte ich zeigen, (1) dass vor diesem Moment der Kanonisierung das Interesse und Wissen darüber, was später als „vernakuläre Architektur [λαϊκή αρχιτεκτονική]” bezeichnet wurde, über viele verschiedene Episteme und intellektuelle Debatten verstreut war, und (2) dass die letztendliche Kanonisierung des Vernakulären mittels Filterung von mannigfaltigen Ideen und Anliegen sowohl zu einer Reduktion ihrer Bedeutung als auch zu einer Marginalisierung von gewissen Aspekten des Vernakulären geführt hat (da sie in einen Rahmen aus nationalem Erbe und modernistischem Paradigma passen mussten).