Dissertation
«Naturinszenierungen». Zum Entwurf von Heinz Islers Schalen

Dissertation
Egor Lykov
Prof. Dr. Laurent Stalder
Seit 2018
 



Heinz Isler (1926–2009) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Architekten der Nachkriegszeit, der sich mit dünnen Betonschalen beschäftigte und im Zuge seiner Experimente naturnahe architektonische Formen entwarf. Seine besondere Begabung bestand darin, die Naturkräfte an der Formfindung teilnehmen zu lassen. Mit seinem kritischen Blick auf die Architektur setzte sich Isler gegen die Technisierung des Naturverständnisses und für reflexives Denken über die Natur in Verbindung mit der Architektur ein. Die Beschäftigung mit der Gegenüberstellung Natur-Kultur war konstitutiv für Islers Natur- und Architekturverständnis. Vor diesem Hintergrund lässt sich die experimentelle Hinüberführung der Natur in die Architektur als ein Lebensprogramm Islers verstehen, das von dem Architekten konzipiert, verwirklicht und disseminiert wurde.
Die Untersuchung ordnet sich in die Natur-Kultur-Forschungskontroverse, eine klassische Dichotomie der Geisteswissenschaften, ein und setzt sich zum Ziel, den Beitrag Islers zur zeitgenössischen Naturästhetik zu reflektieren. Der Wahrnehmung, kulturellen Konstruktion und Inszenierung der Natur durch Experimente Islers (vor allem, mit den freigeformten Hügeln, unter Druck gesetzten Membranen und umgedrehten hängenden Tüchern) kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Der Beitrag des Architekten zur zeitgenössischen Naturästhetik wird erstens im Hinblick auf die Rezeption der (zeitgenössischen) philosophischen Grundlagen und deren Weiterentwicklung oder Ablehnung durch Isler untersucht. In diesem Zusammenhang sei auf einen Naturdiskurs der Nachkriegszeit hingewiesen, laut dem die Natur eine «schöpferische Produktivität» besitze, die einen Architekten dazu befähigt, zum zweiten Schöpfer zu werden. Somit wird Isler nicht als ein genialer Einzelgänger vorgestellt, sondern als einer der wichtigen Akteure des Denkkollektivs. Zweitens rücken die Naturinszenierungen Islers im Zuge seiner Experimente in den Fokus der architekturhistorischen Untersuchung. Dabei werden seine Arbeitspraktiken und deren Auswirkungen auf das Natur-Kultur-Verständnis rekonstruiert. Drittens wird der Wirkung Islers eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da seine Durchsetzungsmöglichkeiten im architektonischen Feld die Verbreitung und Weiterentwicklung seiner Ideen neben originalen architekturbezogenen Naturkonzepten und Arbeitsweisen wesentlich mitbestimmt haben. Dabei wird insbesondere auf den zeitgenössischen, intrinsischen und nachhaltigen Wert der Ideen und Konzepte Islers geachtet. Dadurch wird das Programm Islers samt seiner philosophischen Grundlagen, Verwirklichung und Wirkung im architektonischen Feld umfassend untersucht werden. Als Quellen fungieren alle möglichen Formen medialer Vergegenständlichung der Natur, nämlich Bild, Schrift und Zahl. Der Nachlass Islers im gta Archiv und die darin enthaltenen Originaldokumente sowie seine architekturtheoretischen Publikationen bilden die Quellengrundlage für das Vorhaben. Die einzusetzende Methode ist die der kritischen Diskursanalyse, die die Natur(-inszenierungen) als ein wirklichkeitsinduzierendes «materielles Dispositiv» und die Strukturen der Wahrnehmung beeinflussende «habituelle Verfahrensweise» deutet.

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